Trau dich! Es ist möglich!
Sean
Mein Name ist Sean und ich studiere derzeit Soziale Arbeit im 3. Semester an der SRH Hochschule Heidelberg. Doch mein Weg dorthin war ein sehr steiniger, anstrengender und tränenreicher Weg. Schon von Geburt an habe ich eine körperliche Behinderung. Aufgrund dieser Behinderung bin ich sowohl auf einen Elektrorollstuhl als auch auf eine persönliche Assistenz im Unterricht angewiesen.
Im schulischen Kontext gesehen wurde mir meine Behinderung leider oft zum Nachteil ausgelegt. Schon im frühen Kindesalter wurde ich von einem Arzt als „geistig behindert“ begutachtet. Zu diesem Schluss kam er, da ich nicht in der Lage war, eine Kerze nach Anweisung zu zeichnen, dies war aber aufgrund meiner körperlichen Einschränkung schon damals nicht möglich. Zum Glück gab es und gibt es meine Eltern. Diese setzten sich schon damals für mich ein, sodass ich auf eine reguläre Grundschule gehen konnte. Dies war aber nur mit großem Kampf seitens meiner Eltern gegen die Behörden möglich.
Ab der 3. Klasse kam ich dann das erste Mal mit der SRH in Kontakt. 15 Jahre lang habe ich die SRH Stephen-Hawking-Schule in Neckargemünd besucht. Dort war es mir glücklicherweise möglich, den Haupt- und Realschulabschluss sowie die allgemeine Hochschulreife zu absolvieren. Die Bedingungen dort waren für meinen schulischen Werdegang essenziell, da ich neben dem regulären Schulstoff auch die Möglichkeit hatte, Physio- und Ergotherapie wahrzunehmen. Persönlich war ich mir schon früh sicher, dass ich gerne das Abitur machen würde, dennoch gab es auch an dieser Schule von einzelnen Lehrern kritische Stimmen, die behauptet haben, dass ein Abitur für mich nicht möglich wäre. Trotz der widrigen Umstände habe ich es geschafft, im Jahr 2022 mein Abitur mit dem Durchschnitt von 2,6 abzuschließen.
Nach meinem Abitur wollte ich anschließend ein Studium bei der SRH Hochschule Heidelberg beginnen. Doch mein zuständiger Kostenträger verlangte von mir für die Bewilligung des Studiums ein sogenanntes Assessment. Dies beinhaltete unter anderem einen Intelligenztest, bei dem mir alle Fragen, die ich aufgrund des Diktierens zeitlich nicht geschafft habe, als Fehler angekreuzt wurden. Dies führte dementsprechend dazu, dass der IQ Test nicht gut ausgefallen ist. Als ich die Psychologin fragte, warum ich denn diesen Test machen müsse – „Ich habe doch das gleiche Abitur wie alle anderen auch?“ – antwortete sie „Das Abitur, das sie in Neckargmünd abgeschlossen haben, bekommt man dort doch eh geschenkt!“ In diesem Moment habe ich mich im höchsten Maße diskriminiert gefühlt, da ich von ihr das Gefühl hatte, nicht ernst genommen zu werden.
Nach meinem Assessment konnten sich meine Kostenträger nicht darauf einigen, wer die Hochschulgebühren zahlen soll. Das führte dazu, dass ich erst fünf Wochen später in das Studium einsteigen konnte. Glücklicherweise ist die SRH Hochschule Heidelberg sehr kooperativ, sodass dies im Nachhinein für mich zu verschmerzen war.
Das Studium an sich macht mir an der Hochschule sehr viel Spaß, da ich das Gefühl habe, dass die Hochschule und meine Kommiliton*innen auf meine Bedürfnisse im Alltag sehr gut eingehen können. Da wir eine sehr homogene und abwechslungsreiche Gruppe sind, kann ich sehr von dem Austausch mit anderen Kommiliton*innen profitieren. Grundsätzlich ist die Barrierefreiheit in der Hochschule sehr zufriedenstellend. Bei Klausuren oder schriftlichen Hausarbeiten bekomme ich aufgrund meines verlangsamten Schreibtempos durch die Behinderung eine Zeitverlängerung.
Das erste Jahr meines Studiums habe ich im SRH Pflegeheim auf dem Campus verbracht. Diese Zeit war leider nicht so erfreulich, da ich mich immer wieder mit persönlichen Beleidigungen und Diskriminierungen auseinandersetzen musste. Teilweise musste ich sogar dafür kämpfen, überhaupt aus dem Bett geholt zu werden. Dies hat mich mental sehr belastet. Selbst mehrere Gespräche mit der Pflegeleitung im Heim über meine persönliche Situation vor Ort haben außer Versprechungen nichts gebracht. Die versprochene Schreibassistenz für den Unterricht an der Hochschule, die vom Pflegeheim geleistet wird, wurden mir oftmals nicht zu Verfügung gestellt. Ich war also oft auf die Mithilfe meiner Mitstudenten und Mitstudentinnen angewiesen. Diese Situation frustrierte mich sehr. Deshalb zog ich im November 2023 in meine eigene Wohnung mit eigenem Pflegeteam. Dieser Schritt war für mich persönlich sehr wichtig, da er mir das Bedürfnis nach möglichst hoher Autonomie erfüllt hat. Momentan läuft es mit meinem Studium sehr gut und ich hoffe, dass ich dies erfolgreich abschließen kann.
Ich erzähle Ihnen meine Geschichte, weil ich hoffe, dass viele Menschen in meiner Situation dazu motiviert werden, an sich selbst zu glauben und ihre vorgenommenen Ziele zu erreichen. Egal wie viele Menschen dir sagen, dass du es nicht kannst – du musst und darfst an dich selbst glauben, dass du es kannst!
Es ist möglich, sich auch mit einer schweren körperlichen Behinderung im Schulsystem gegen die Widerstände durchzusetzen und seine Ziele zu erreichen. Jeder Mensch mit einer Behinderung hat seine Stärken, er muss sich nur dessen bewusst werden!
Also denke immer daran: Trau dich! Es ist möglich!